Warum hat SAP vor drei Jahren das Pro bono Programm Social Sabbatical aufgelegt?
Wir haben ganz klein mit dem Social Sabbatical angefangen, um überhaupt erste Erfahrungen mit pro bono zu sammeln. Zeitgleich gab es im Konzern Überlegungen, wie wir uns mit Blick auf Corporate Social Responsibility strategischer aufstellen können. Wir wollten einen größeren gesellschaftlichen Mehrwert schaffen und das rein philanthropische Engagement zurückfahren. Dieser Schwenk war nicht einfach und er brauchte die volle Unterstützung der Unternehmensführung.
Die Pro-Bono-Programme bei SAP
Als Teil des Social-Sabbatical-Programms arbeiten jährlich mindestens 100 SAP-Mitarbeiter einen Monat lang pro bono in Schwellen- und Entwicklungsländern. In internationalen, interdisziplinären Dreierteams unterstützen sie Non-Profit-Organisationen und Sozialunternehmen und lösen deren drängendsten strategischen Herausforderungen. Zur Zeit entsendet SAP Mitarbeiter nach Kolumbien, Südafrika, China, Indien, Äthiopien, Brasilien, in die Türkei und auf die Philippinen. Ein lokales Pro-bono-Programm, SAP ELI (Engaging for Local Impact), wird dieses Jahr an acht verschiedenen Standorten weltweit gestartet.
Und die gab es?
Auf jeden Fall! Unsere Überzeugung war, dass wir mit pro bono mehr erreichen können als einfach nur Schecks zu schreiben und das Geld im schlimmsten Fall verpuffen zu lassen. Dieser Ansatz kam aus der Mitte des Unternehmens. Uns war aber klar, dass wir vor allem Unterstützung auf Führungsebene brauchen, wenn wir so ein Programm konzernweit etablieren wollen. Zum Glück lässt sich das Konzept überzeugend erklären und es funktioniert auf vielen unterschiedlichen Ebenen.
Auf welchen denn?
Es geht um die Weiterentwicklung von Führungsqualitäten, die Fähigkeiten der Mitarbeiter und natürlich auch um strategische Unternehmensentwicklung.
Welchen Organisationen helfen Sie auf die Sprünge?
Wir arbeiten vor allem mit Sozialunternehmen, die ein funktionierendes Geschäftsmodell haben und wachsen wollen. Sei es geographisch oder in ihrem Portfolio. Dabei können wir am besten helfen. Wenn SAP zwei Dinge gut kann, ist es Businessprozesse verstehen und passende Technologien anwenden. Und über die Hilfe für diese Organisationen schaffen wir einen direkten Mehrwert für die Menschen vor Ort.
SAP führt die Pro bono Projekte in aufstrebenden Schwellenländer wie Indien, Brasilien, Südafrika oder den Philippinen durch. Tun Sie dies auch mit Blick auf potenzielle Märkte?
Das ist ein Teil unseres Ansatzes. Es geht aber vor allem darum, unsere Mitarbeiter in einem völlig fremden Kontext einzusetzen. Die kulturelle Komponente spielt eine entscheidende Rolle; in Indien oder Brasilien werden Geschäfte oft ganz anders betrieben. Und genau dies sind Momente, in denen unsere Mitarbeiter Führung übernehmen müssen, sich selbst sagen: Ich lasse mich nicht von irgendwelchen Unwägbarkeiten irritieren, sondern vertraue auf mein Können und Wissen.
Und das funktioniert so einfach?
Man muss sich seiner Rolle im Team bewusst sein – und sein Ego außen vor lassen. Meist kommen viele verschiedene Nationalitäten in einem Team zusammen, darunter Nachwuchskräfte, Seniors und sogar Vizepräsidenten. Zudem sind alle Abteilungen von SAP vertreten von der Entwicklung über Controlling bis Sales. Die Mitarbeiter müssen sich sehr schnell in der Gruppe finden und Höchstleistungen bringen – ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten oder Hierarchien. Es geht schließlich darum, Resultate für die Organisation zu liefern, die nachhaltig sind und Mehrwert schaffen.
Was sind neben der ungewöhnlichen Mischung die Herausforderungen vor Ort?
In sehr kurzer Zeit passieren unglaublich viele Dinge gleichzeitig. Da ist lösungs- und kundenorientiertes Arbeiten gefragt. Eines unserer Teams hatte sich gleich zu Beginn ein Motto überlegt: Shut up and listen! Das haben sie beherzigt, sowohl in der Kommunikation mit den Kunden als auch im Team. Sie haben gelernt, wie wichtig es ist zuzuhören und nicht sofort mit vorgefertigten Lösungen zu kommen. Oft zeigt sich nämlich erst vor Ort, dass die Herausforderungen ein wenig anders sind, als von der Organisation beschrieben. Unsere Leute müssen unglaublich flexibel und anpassungsfähig sein, weil sich die Situation schlagartig ändern kann. Und das sind Dinge, mit denen sie in ihrem Alltag bei SAP eigentlich nicht mehr konfrontiert sind.
Die Mitarbeiter müssen sich sehr schnell in der Gruppe finden und Höchstleistungen bringen – ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten oder Hierarchien.
Alexandra van der Ploeg
Das Pro-bono-Programm ist stark nachgefragt. Haben Sie intern die große Werbetrommel gerührt?
Nein, gar nicht. Wir wurden überrannt von Bewerbungen, obwohl wir einen soft launch gemacht haben. Das ging vor allem über Mund-zu-Mund-Propaganda. Inzwischen haben wir jährlich fast 400 Bewerbungen für 96 Plätze. Wir hatten nach dem Start 2012 so viel Momentum, dass wir viel schneller skaliert haben als geplant. Zurzeit senden wir mindestens acht bis zehn Teams zeitgleich in Schwellenländer.
Welche Mitarbeiter sprechen Sie an?
Die sogenannten Top Talents des Konzerns. Weltweit teilnahmeberechtigt sind somit ungefähr fünf Prozent der rund 74 000 SAP-Mitarbeiter.
Es gibt auch Kritiker, die sagen: Unternehmen können die Welt nicht retten.
Ich finde den Vorwurf ein bisschen zu einfach. Politik und Unternehmen spielen beide eine wichtige Rolle bei der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung. Es mangelt jedoch häufig an Zusammenarbeit über Sektorgrenzen hinweg, da würde ein Schulterschluss gut tun. Deutschland ist ein Wohlfahrtsstaat. Die Länder, in die wir gehen, sind hingegen weit davon entfernt. Deshalb spielt dort der dritte Sektor eine ungemein wichtige Rolle. Nicht umsonst hat Social Entrepreneurship so sehr an Bedeutung gewonnen.
Wir wollen das Thema auf jeden Fall im europäischen Markt stärker verankern, andere motivieren.
Alexandra van der Ploeg
Sieht SAP sich im Vergleich mit anderen großen Unternehmen als Pionier in Sachen pro bono?
Wir wollen das Thema auf jeden Fall im europäischen Markt stärker verankern, andere motivieren. Deshalb engagieren wir uns beim 3rd Global Pro Bono Summit in Berlin. Es gibt auf internationaler Ebene immer noch zu wenig Konzerne, die Pro-bono-Programme haben und auch darüber reden.
Neben dem Social Sabbatical hat SAP jetzt auch ein lokales Pro bono Programm aufgelegt. Warum?
Es gibt bei den Mitarbeitern eine große Bereitschaft, direkt vor Ort etwas zu bewirken. Hinzu kommt, dass unser Social-Sabbatical-Programm sehr aufwendig ist – und wir bei der Skalierung irgendwann an Grenzen stoßen. Bei dem lokalen Programm übertragen wir die Erfahrung aus dem Social Sabbatical auf lokaler Ebene, die Pilotprojekte sind in Berlin und Palo Alto in Kalifornien über die Bühne gegangen. Nun werden wir das Programm nach und nach an allen Standorten etablieren. Es geht dabei in erster Linie um Kapazitätsaufbau, den direkten Kontakt mit Kunden und die Suche nach pragmatischen Lösungen.
Interview: Maja Heinrich, BMW Stiftung
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