Mein Ziel ist es, dass, wenn ich wieder zurück nach Deutschland gehe, ich meinen Teil dazu beitragen konnte, dass die Qualität in der Werkstatt sich wenigstens ein bisschen verbessert. In west-weltlicher Sicht! Aber Lektion eins: "This is Ghana."

Servus dadrüben im kalten Norden,

Ich hoffe ihr seid gut ins neue Jahr gestartet, und habt „Friderike“ überlebt. Mir wurde sogar gesagt, ihr hattet Stromausfall? ? Da musste ich ehrlich grinsen. Die Vorstellung,  wie Menschen ausrasten, weil 20-40 Minuten der Strom fehlt, ist einfach göttlich. Aber ich könnte auch jedes Mal Platzen, wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme, der Ventilator nicht funktioniert,  weil Stromausfall ist. Da liegt man dann in Boxershorts auf dem Bett fragt sich, womit hab ich das denn schon wieder verdient. Gegen Kälte kann man sich entsprechend kleiden. Aber was tun bei Wärme? Naja, egal. Es gibt tatsächlich größere Probleme.

Ich habs tatsächlich geschafft,  nach einer absolut rekordverdächtigen Motivationtief-Woche, wieder zurück in die Spur zu finden. Aber ganz ehrlich,  5 Tage lang habe ich mich gefragt, warum ich den Driss überhaupt mache. Die persönlichen Erfahrungen mal außen vor gelassen.

Ich bin hier um „Entwicklungsarbeit“ zu machen. Mein Ziel ist es, dass, wenn ich wieder zurück nach Deutschland gehe, ich meinen Teil dazu beitragen konnte, dass die Qualität in der Werkstatt sich wenigstens ein bisschen verbessert. In westweltlicher Sicht! Aber Lektion eins: „This is Ghana.

Bevor ich los in meinen, meiner Ansicht, wohlverdienten Urlaub bin, war ich auch soweit, dass sich in der Werkstatt eine deutliche Steigerung von der Qualität der Schuhe ergeben hat. Die Absätze mussten nicht mehr runter gedrückt werden,  um zu stehen, und meines Erachtens die wichtigste Veränderung,  ich konnte ein drittes Maß für den Leistenbau durchsetzen. Nach gefühlt endlosen Diskussionen, warum dieses Maß so wichtig ist, wurde es schließlich auch anerkannt und umgesetzt. Soweit, so gut oder?

NEIN!!! Während meines super klasse, atemberaubend spitzen und so weiter  Urlaub,  wurde alles Das, was, in westweltlicher Sicht, verbessert wurde, ÜBER DEN HAUFEN GEWORFEN!  Klasse, dann werden die nächsten 4 Monate meines „Entwicklungshilfe“ ja erst recht die Welt verändern.

Auf meine Frage,  warum denn alles was an Verbesserungsvorschlägen, was vorher so einleuchtend geklungen hat nicht mehr gemacht wird, kam als relativ selbsterklärende Antwort: „Das ist Ghana! Und in Ghana muss das nicht so gemacht werden!“

Das größte Problem für mich an der Sache ist, er hat so recht! Die „Entwicklungshilfe“, die wir als richtig sehen, ist keine wirkliche Entwicklungshilfe! Egal ob „professionelle“ Entwicklungshilfe der EU,  oder bahnbrechende Bereicherung durch Schulabgänger. Das ist alles keine Entwicklungshilfe. Ein Praktikant, der in einer großen Firma sein Praktikum abwickelt, kann ja auch in einem Jahr nichts verändern. Und wir, wir kleinen möchtegern Erwachsenen, die noch grün hinter den Ohren sind, sind nicht mehr als Praktikanten in einem anderen Land,  in einer fremden Kultur.  Ein Projekt,  ein Betrieb, eine Institution,  alles hat seine Basis, wie es funktioniert.

Mein Blick, wenn mal wieder „This is Ghana for you“ gesagt wird, bzw., wenn ich es merke.

Egal ob in Deutschland,  in Ghana oder Tschumbuku. Es ist natürlich Personen abhängig,  doch jedes Land und jede Kultur,  hat eine andere Wertvorstellung, was arbeiten, Geld, Mitarbeiter und etc. angeht.

Wir können versuchen so viel aus dem System der anderen „Welt“ mit zu nehmen, wie wir können.  Doch können nichts in einem System verändern, wenn wir es nicht mal nachvollziehen können! Denn „This is Ghana for you!“. Doch Du bist nicht DAS für Ghana.

Also bitte,  liebe Eltern, liebe kommenden Schulabgänger.

Entwicklungsarbeit ist was tolles für uns, keine Frage. Wir fühlen uns Groß,  wir fühlen uns Mächtig.  Wir fühlen uns wichtig, und wir denken, dass wir was verdammt Gutes tun. Und von allen Seiten regnet es Rosenblätter an Bestätigung. Und wir sind es, die jeden Tag eine innerliche Reifung bekommen. Doch schlussendlich,  sind wir es, die nichts da lassen und nicht nur mit vollen Koffern nach Hause gehen. Die Devise, entwickeln und vergessen! Wenn wir in 10 Jahren, wieder in unseren Ort der Entwicklungshilfe gehen, werden sich die meisten an unsere Namen erinnern. Und wir werden schon nach 3 Monaten nur noch Namen von  4-5 Leuten kennen. Und das ist einfach nur erbärmlich.  Uns wird immer gesagt, dass das, was im zweiten Weltkrieg, bzw. was davor passiert ist, sich nie wieder wiederholen darf. Das stimmt. Doch was ist mit der Zeit der Ausbeutung?  Was rechtfertigt die Ausbeutung in Form von Persönlichkeitsentwicklung?

Ich weiß nicht, ob meine Gedanken einen klaren roten Faden ergeben. Mir ist nur unglaublich wichtig,  dass ich das los werden musste. Ein Schulabgänger macht keine Entwicklungsarbeit. Ein Weißer, der nach Afrika kommt, kann sich gerne vornehmen,  jedem Kind am Tag ein lächeln zu schenken. Aber ganz ehrlich,  die Kinder lachen auch ohne uns. Wir sind dann sowas wie der liebe gute Scheidungsvater, der seinen Sohn alle 2 Wochen am Wochenende abholt, und ihm immer das Highlight-Wochenende und den super Daddy vorspielt.  Während die Mutter den ganzen Erziehungskram durch ziehen muss, und immer die doofe Kuh spielen muss.

Es ist alles, aber nicht fair!

Aber Schluss damit! Meinen Tagen der Alltagsdepression habe ich den Rücken zu gekehrt. Das Leben ist doch viel zu schade dafür.  Ich merke gerade wie mir ein Felsbrocken von den Schultern genommen wurde. Jetzt habe ich die nötige Euphorie, um über mein highlightreiches Jahr 2018 zu berichten.

#auchkeinefairnessaberwassolls?

So, aber bevor ich abschließe, kann ich noch voller Stolz sagen, auf dem Turnier im Dezember,  haben wir ein Überragenden 2. Platz gemacht.  Das traurige daran ist, ich bin fest davon überzeugt,  dass der gegnerische Coach, den Jungs irgendwas gegeben hat.

Während wir die letzten Minuten vor allem mit uns selber, der Hitze und Müdigkeit zu kämpfen hatten, ist der Gegner gelaufen, wie ein Bushbock auf der Flucht vor einem Löwen.

This is halt Ghana.

Quasi der dumme Praktikant, der nichts versteht ….

… und Hilfe bekommt. Ich finde das irgendwie eine anschauliche Bilderreihe!

Ich berichte euch die Tage, wie es ist, als einziger Weißer in einer riesen Masse an schwarzen, tanzenden und singend Menschen, hinter einem Wagen herzulaufen, von dem viel zu laute Musik dröhnt.

Machts gut trinkt schönes kaltes Kölsch im Altenrath für mich mit. Okay sagen wir 3. nach so einem Auftritt, hat man schon immer ganz schön Brand.

Liebe Grüße aus 34°

Euer Leo

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Kommentare

1 Kommentar.

  • Lieber Leo,
    das Einzige was ich dir zu deinen Ausführungen schreiben möchte ist: So wie ich dich kennengelernt habe und das waren nur wenige Stunden, bist du eine Bereicherung für jeden Menschen, der dir begegnet!! Ich denke damit gibst du so viel an diese Menschen weiter, dass sie sich ein Stück weit anders entwickeln als sie das tun würden, wenn sie dir nicht begegnet wären. Ist das nicht die größte Entwicklungshilfe!!!
    Danke für deine Worte und Impulse damit eröffnest du mir, über Dinge nachzudenken und meine Entwicklung wieder einmal zu überdenken.
    Außerdem freue ich mich, dich mal zu einem Bier einzuladen, wenn du zurück bist, denn das erwähnst du regelmäßig in deinen Berichten ;-))
    Herzliche Grüße
    Ruth

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