Pro bono boomt: Immer mehr Unternehmen engagieren sich für das Gute

Tue Gutes und rede drüber: In Boom-Zeiten von CSR ist das gar nicht so einfach. Vier Perspektiven

Wir sprachen mit einer Maklerin zwischen den Welten, einer Stiftungssprecherin, einer ehrenamtlichen Kreativen und der Kommunikatorin eines sozialen Vereins, der sich kostenlos coachen ließ.

Claudia Leißner ist Geschäftsführerin von Proboneo, einem „zweiseitigen Marktplatz“ in Berlin, auf dem Fach- und Führungskräfte mit gemeinnützigen Organisationen zusammengebracht werden, um diese kostenlos mit ihrem jeweiligen Expertentum zu unterstützen.

Frau Leißner, warum brauchen Unternehmen, die sich pro bono engagieren wollen, und Organisationen, die Unterstützung suchen, überhaupt einen Makler?

Claudia Leißner: Zum einen braucht es jemanden, der dem Thema einen Namen gibt. Es gibt Ehrenamt und Pro-bono-Einsätze von Unternehmen ja schon lange in Deutschland, aber es wird von ihnen nicht systematisch als eine Ressource verstanden. Und auf der Seite der gemeinnützigen Organisationen ist es häufig schwer, von innen heraus überhaupt zu sagen, was ihnen fehlt. Oft braucht es jemanden, der von außen guckt und Fragen stellt, die sich bewährt haben, um zum Kern des Problems vorzudringen.

Welche Seite der Projekte ruft häufiger bei Ihnen an?

Ob Unternehmen oder Organisation – das hält sich in etwa die Waage. Wir können von beiden Seiten aus starten. Anrufer aus der Wirtschaft wissen oft nicht, was gebraucht wird und wie Organisationen ticken. Und nach Spendenskandalen gab es große Unsicherheit. Auf der Suche nach neuen Engagement-Möglichkeiten gibt es noch zu wenig Antworten.

Nimmt pro bono aus Ihrer Erfahrung eher ab?

Nein, sondern zu. Sonst gäbe es uns ja nicht (lacht). Es gibt extrem viel Nachfrage, und durch die CSR-Welle geht gerade ein neues Fenster auf. Unternehmen suchen zunehmend nach Antworten aber finden sie nicht. Darum braucht es einen Makler, der kanalisiert. In zwanzig Jahren, wenn alle gelernt haben, wie pro bono geht, braucht man uns nicht mehr.

Ihr oberstes Ziel ist also, sich selbst abzuschaffen?

Genau.

Tierschutz, Natur, Teilhabe, Kinder, Gesundheit – welche gesellschaftlichen Trendthemen liegen derzeit in der Luft?

Eine alte Fundraising-Regel besagt: Kinder- und Tieraugen gehen immer, denn die entsprechenden Projekte sind nicht so erklärungsbedürftig. Oder: im Winter sind Obdachlose ein größeres Thema als im Sommer. Doch gerade erfahren wir eine Welle zum Thema Flüchtlinge, das liegt einfach an der aktuellen Nachrichtenlage. Generell sind Metathemen immer schwerer zu vermitteln. Gerade Organisationen, die ins System hinein arbeiten, sind komplizierter zu erklären. Auch der Irrglaube, dass immer hundert Prozent meiner Spende direkt ankommen sollen, hat großen Schaden angerichtet: Man drückt ja dem hungernden Kind nicht die hundert Euro in die Hand, die der Spender gegeben hat, sondern die Spende geht in die Strukturen, die etwas bewegen sollen. Umso wichtiger ist es, dass der Overhead einer Organisation gut gefüllt ist. Nur dann funktioniert auch der Rest.

Wer ruft bei Ihnen häufiger an, Mitarbeiter aus der Öffentlichkeitsarbeit oder der Personalabteilung?

Bei uns ist es fast immer jemand aus der HR- oder CSR-Abteilung. Die Anrufer sind vom Wunsch, nach innen zu wirken, getrieben. Die Öffentlichkeitsarbeit steht da meistens erst an zweiter Stelle.

Ist das also eher eine Haltungsfrage?

Ja. Und viele Unternehmen sagen: „Wir müssen uns erst einmal nach innen verändern, um Mitarbeiter stärker mitzunehmen für ein Engagement“. Heute wollen Unternehmen mehr, sie wollen ihre interne Employer Brand stärken. Diejenigen, die das schon ein paar Jahre machen, sehen da deutliche Zusammenhänge, weil sie die Mitarbeiterzufriedenheit und Imagewerte nach innen stärken. Ein großes Dax-Unternehmen hat zum Beispiel die Frage „Was macht unsere Subgesellschaft oder eine bestimmte Abteilung zu CSR?“ in ihre jährlicher Mitarbeiterbefragung aufgenommen. Bisher haben die schlecht abgeschnitten, aber jetzt entsteht Nachfrage. Und das Management Board unterstützt das.

Was ist das Schlimmste, was Organisationen bei Pro-bono-Einsätzen tun?

Sie dürfen das Engagement nicht einfach nur zur Mitnahme betrachten. Denn sie müssen genau planen, was sie lernen wollen – und die Ergebnisse auch messbar überprüfen.

Und welchen Fehler sollten unterstützende Unternehmen nicht machen?

Ein absolutes no go ist, wenn sie sich als tolle Experten sehen, die der armen, gemeinnützigen Organisation helfen, sich endlich mal zu professionalisieren. Denn häufig arbeiten die Organisationen deutlich effizienter, mit weniger Mitteln und viel mehr Herzblut als so manche Abteilung in einem Großunternehmen. Die können von ihren Partnern also auch lernen. Fachwissen allein nutzt nichts, wenn ich es nicht schaffe, zuzuhören.

Welches ist der kleinste gemeinsame Nenner erfolgreicher Kooperationen?

Fokus. Die Partner sollten sich lieber eine konkrete Sache vornehmen und die richtig machen, anstatt zu viel zu wollen oder mehrere Dinge gleichzeitig anzufangen. Beide Seiten sollten klar in Endprodukten denken, denn das ist es, was am Ende wahrnehmbar bleibt.

Wahrnehmbar wollen auch Unternehmen sein. Wie sie idealerweise Pro-bono-Einsätze durchführen, weiß Christiane Biedermann, Leiterin Presse und Kommunikation der Stiftung Aktive Bürgerschaft: „Mitarbeitende erwarten mittlerweile oft mehr von ihrem Arbeitgeber als ‚nur‘ einen Arbeitsplatz“, sagt die stellvertretende Leiterin der BdP-Fachgruppe NGO. „Sie suchen eine sinnstiftende Tätigkeit und gelungene Work-Life-Balance.“

Genau hier berge Pro-bono-Engagement Chancen: Denn es bedeute neue Perspektiven in einem anderen, mitunter unbekannten Umfeld, vermittele Zufriedenheit und Wertschätzung, da Mitarbeitende mit ihrer beruflichen Expertise weiterhelfen oder etwas bewegen können – und davon profitierten gemeinnützige Organisationen und letztlich die gesamte Gesellschaft. „Das motiviert auch im Arbeitsalltag und nützt Unternehmen“, sagt Christine Biedermann. „Auf Zweierlei kommt es dabei an: Pro-Bono-Aktionen oder Corporate-Volunteering-Programme sind kein nice-to-have, sondern fester Teil der CSR-Aktivitäten. Führungskräfte sollten mit gutem Beispiel vorangehen, Erwartungen und Lebenswelten beider Seiten berücksichtigen, die der gemeinnützigen Organisation und die der Mitarbeitenden. Das erhöht die Akzeptanz und die Wirkung.“

Wie das gut gehen kann, zeigt das Beispiel „Nachtschicht Berlin“, einem Projekt, bei dem Mitarbeiter aus der Kreativbranche eine Nacht lang gemeinnützigen Organisationen ihre Dienste kostenlos zur Verfügung stellen. Innerhalb weniger Stunden entstehen so konkrete Kommunikationsmaßnahmen für den guten Zweck.

Frau Conradt, Sie gehören zu den Organisatoren der Nachtschicht. Warum wollten Sie sich sozial engagieren?

Annette Conradt: Ich bin jetzt seit 26 Jahren in der Kreativbranche tätig. Das ist ein toller Beruf, aber man kann der Branche auch Oberflächlichkeit vorwerfen. In Zeiten, in denen vier Menschen nur dafür um die halbe Welt fliegen, damit bei einem Shooting ein Tropfen mit Krönchen richtig in der Kaffeetasse landet, wollte ich gerne Sinnhaftes tun.

Und wie entstand die konkrete Pro-bono-Idee?

Bei einem Abendessen mit meinem Chef Michael Camici und Reinhard Lang vom UPJ-Netzwerk. Der hatte auf einer Reise nach Holland das Projekt „8 Hours Overtime for a Good Cause“ kennengelernt. Wir haben spontan beschlossen, auch in Deutschland zu helfen. Aber hatten keine Ahnung von der Logistik und waren sehr froh, als die Kongressagentur PCMA mit einstieg und uns bei der Location, Elektronik und dem Catering unterstützte. Für die Pressearbeit kam die PR-Agentur GoPublic mit ins Boot. Am Ende konnten wir Räume des „Tagesspiegel“ nutzen und Mövenpick stellte kostenlos Speisen und Getränke samt fünf Mann für den Service – der CEO war sogar persönlich da und will mit seinem Team auch 2016 wieder dabei sein.

Haben auch die Kreativen sofort begeistert mitgemacht?

Wenn man einen Kreativen fragt, „hast Du nicht Lust, Freitagnacht gemeinsam mit mir zu arbeiten?“ haben erst einmal viele abgewunken angesichts von Zwölfstundentagen und Kindern. Damals kamen die meisten nur Dank persönlicher Kontakte und viel gutem Zureden (lacht). Aber in der Nacht selbst hat das Adrenalin als kreative Droge so sehr geholfen, dass wir in wenigen Stunden Dinge geschafft haben, die sonst Tage dauern. Am Morgen waren alle todmüde aber glücklich.

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