Eine tolle Zeit neigt sich dem Ende zu

Und ich würde es auch immer wieder tun! – Was in Afrika viel mehr gebraucht wird als Geld, sind Handwerker. Das Handwerk ist eine tragende Säule, überall. Und aus persönlicher Erfahrung kann ich nur sagen, es gibt nichts tolleres, als sein Handwerk,. In Deutschland haben wir Ausbildungen, die auf der ganzen Welt bewundert werden. Im Februar habe ich z.B. auch einen Klempner aus der Schweiz kennengelernt, der seinen kompletten Jahresurlaub und seine Überstunden gegeben hat, um hier Rohre für eine zukünftige Augenklinik zu verlegen. Gleichzeitig hat er sich einen Klempner aus Ghana dabei genommen,  und ihm gezeigt, wie er es in der Schweiz gelernt hat. Er sagte mir, er würde es immer wieder machen. Und ich würde es auch immer wieder tun!

Ich hab es gelebt! Und doch heißt es wieder, Abschied nehmen. Und schon wieder heißt mein Motto: „Niemals geht man so ganz“.

Meine Zeit in Ghana läuft aus, und damit auch die Einträge für meinen Blog. Es tut mir leid, dass ich mich in der letzten Zeit so selten gemeldet habe. Text hätte ich eine Menge gehabt, doch Zeit relativ wenig. Es ist schon unglaublich wie schnell dich ein Alltag wie von alleine voll einnehmen kann. Ich bin jeden Tag von 7:30 a.m. bis 6.30 p.m „op jück“. Und die Projekte fordern einen ganz schön heraus, so dass ich abends meistens nach dem Essen todmüde ins Bett falle, und einschlafe. Aber eines bin ich immer, ich bin glücklich! Glücklich darüber, Teil dessen sein zu dürfen.

Mit beiden Projekten ging es seit Januar, über Februar, in den März ziemlich in den Keller.

In der Werkstatt war ich ziemlich darüber enttäuscht, dass meine Ideen und Einwände zur Verbesserung nicht akzeptiert wurden, und meistens aus Bequemlichkeit nicht umgesetzt werden wollten. Es ist ja leider immer einfacher ein altes Muster zu verfolgen, anstatt neue Anregungen anzunehmen, und für sich umzusetzen. Aber wenn ich eines nicht tue, ist es mich damit abzufinden. Und so habe ich die Rolle angenommen, und mir die Werke meiner Kollegen immer und immer wieder angeschaut, und immer mein Senf dazu gegeben. Am Anfang war mir das echt unangenehm (Neokolonialismus), aber mit der Zeit habe ich mein Spaß daran gefunden, denn es hat funktioniert. Inzwischen schaue ich nur noch heimlich, und bin echt erfreut darüber, dass es anscheinend gefruchtet hat! Die Schuhe stehen!!!

Beim Fußball war es sogar so schlimm, dass meine Mannschaft kurz vor dem Zerfall stand. Das Problem, eine nicht funktionierende Kommunikation. Trainer und Kicker haben sich gegenseitig aufgespielt. Fehlende Zuverlässigkeit seitens der Jungs, und meines Erachtens falsche Reaktion durch meine Trainer Kollegen hat eine Wut aufkommen lassen, dass war unglaublich. Und Wut auf Wut erzeugt keine Klärung! Ich hatte von Anfang (August) an klar gestellt, dass ich, als Interim Coach, weder Teil des Teams sein möchte, noch als richtiger Trainer angesehen möchte, und damit immer neutral bin. Nach endlosen Gesprächen mit beiden Seiten, haben wir endlich eine Lösung gefunden, dass es wieder besser klappt. Und das war gar nicht einfach. Denn die Jungs sind ganz schön gefrustet. Was verständlich ist, wenn man sieht, wie viel Bestätigung und Erfolg sie seit ihrer Kindheit bekommen haben. Nämlich gar keine!

Afrika hat leider einen reißenden Fluss an nicht ausgeschöpften Potential.
Das größte und vorrangige Problem ist die nicht vorhandene Förderung durch Eltern/Schule/Staat, und die daraus resultierende Orientierungslosigkeit. In einem Leben ohne Anhaltspunkte und Stützen, kann man sich auch nicht orientieren. Was darauf folgt, ist ein Leben auf der Straße, eine Einbahnstraße und Sackgasse. Und das dann immer und immer wieder mit jeder Generation aufs Neue.

Potentialverschwendung Als „nur“ ein Schuhmacher, ist meine Tragweite hier in Ghana ziemlich gering. Aber ich kann versuchen, durch meinen Blog, und durch euch die Sichtweisen etwas zu verändern. Denn es ist an uns, etwas gegen die Potentialverschwendung zu unternehmen. Und wenn wir ehrlich sind, ist das auch ein ziemlich großes Problem in Deutschland. Wenn ich mir überlege, wie viele tausende Schulabgänger jedes Jahr nicht wissen was sie interessiert, und wo sie gut drin sind, bin ich schockiert. Doch Orientierung bzw. diese Desorientierung, ist auch eine Sache der Erziehung. Wenn nicht sogar reine Erziehungssache! Und ich glaube, dass ich da das perfekte Beispiel bin.

Und in gewisser Weise ist das das Thema, über das es mir zum Schluss ganz wichtig ist, zu schreiben.

Meine Mutter hatte mich nie aufgegeben
Der Weg, den ich bis jetzt beschritten habe, sieht auf dem Papier ziemlich gut aus. Kindergarten (den ich eigentlich nie verlassen wollte), über Grundschule, zur Realschule. Meine „mittlere Reife“ habe ich dann mit 2,0 abgeschlossen. Danach ging es für 3 1/2 Jahre in die Ausbildung, bevor ich dann, nach einem halben Jahr Nachmittagsbetreuung in der Grundschule, für 9 Monate in Ghana gelandet bin.

Klingt alles super und einfach, doch das war es anfangs nicht. Im Gegenteil! Während meiner Real-Schulzeit, habe ich, bzw. viel mehr meine Mutter, ganz schön um mich kämpfen müssen. Denn wenn ich eines überhaupt nicht bin, ein „Lerner“! Ich kann überhaupt nicht lernen. Ich verliere das Interesse an Themen, die ich können/lernen muss. Tausende Schreiereien, ziemlich viele Lehrer Gespräche, dauernd schlechte Noten, vergessene Hausaufgaben, doch meine Mutter hatte mich nie aufgegeben. Sie hat mir schon immer Vertraut. Und dieses Vertauen hat sich, meines Erachtens, ausgezahlt. Aus mir ist was geworden!(Oder?)

Irgendwann, ich glaube in der 9. Klasse, hat es irgendwie „Klick“ gemacht, und es ist deutlich besser geworden. Von einem 3,6 Schnitt ging es zu 2,45 und sogar noch weiter rauf. Und jetzt bin ich sogar in Ghana, arbeite hier in einer Orthopädischen Werkstatt, und helfe jungen Erwachsenen, die älter als ich sind, dabei, etwas aus sich zu machen. Und das alles in Englisch, obwohl ich dort immer 4- stand. Ich glaube, dass hätte nie jemand von mir erwartet, oder gedacht. Außer vielleicht meiner Oma, die mir im Kindesalter irgendwann sogar die Universität zu getraut hätte. Aber dieses Experiment gehe ich lieber nicht ein.

Warum ich das erzähle? Leider hat nicht jedes Kind das Glück, das ich hatte. Ein stabiles Elternhaus, und eine Mutter, die einem volles Vertrauen und Unterstützung schenkt. Jedoch bin ich nicht der einzige, für den Schule ein absolutes Kotz-Thema ist.

und trotzdem denkt/ weiß jedes Kind heute in der Grundschule schon, dass es Abitur machen wird und muss. Doch es wird Zeit, dass sich Bildung auch viel mehr auf die „nicht Lerner“ konzentriert! Ihnen zeigt, dass nicht jeder Abitur machen muss. Das ist der Grund warum ich schreibe.

Ich habe immer das Gefühl, dass alle Eltern denken, dass aus ihrem Kind nichts wird, wenn es kein Abitur macht. Aber das stimmt nicht! Nicht jedes Kind ist ein guter Schüler. Und mit diesem Abitur-Zwang tut man den Kindern absolut kein gefallen! Es wird wieder Zeit, dass das Handwerk für mehr Kinder in Betracht gezogen wird! Doch das Problem ist, dass weder von den Schulen, noch von den Handwerkskammern irgendwelche Unterstützung, in Form praktischen Unterricht, kommt. Deswegen ist es auch ein Stück an den Eltern, ihre Kinder ehrlich zu betrachten, und eventuell anstatt Abitur eine praktische Ausbildung in Betracht zu ziehen. Und ich kann nur sagen, ich bin in meiner Ausbildung täglich gereift. Die Mischung aus etwas Sinnvolles tun zu können, in der Verantwortung für etwas zu stehen, und Geld verdienen, war das absolut richtige für mich. Und die Ausbildung hat mir auch Orientierung gegeben. Orientierung, dass ich selber für mich verantwortlich bin.

Und ich glaube, dass die meisten aus meiner alten Klasse, trotz Abitur, immer noch nicht wirklich wissen, was sie machen wollen. Und die Klassiker, entweder zur Polizei gehen, oder BWL zu studieren, machen auch nicht glücklich, und bringen niemanden voran. Was man auch nicht braucht, sind orientierungslose Schulabgänger, die „als niemand“ nach Afrika kommen. Abitur ist schlussendlich auch nicht mehr als ein (Real-) schulabschluss!

Falls das jetzt so rüber kommt, als würde ich was gegen Abiturienten haben, dann liegt das daran, dass ich mich nicht so ausdrücken kann, wie ich es gerne würde. Mir ist nur wichtig, dass ihr seht, dass eigentlich gar kein großer Unterschied zwischen Deutschland und Afrika ist. Außer, das wir in Deutschland die Bandbreite an Möglichkeiten, die wir nutzen könnten, haben, und in Afrika es keine Möglichkeiten zur Nutzung gibt. Und trotzdem gibt es in Deutschland das Problem der Orientierungslosigkeit, unter anderem, weil wir unseren Erfolg in der Zukunft viel zu sehr von einem Schulabschluss abhängig machen. Doch damit tuen wir keinem einen Gefallen. Und das möchte ich mit mir als Beispiel zeigen. Ich war nie ein „Lerner“, und werde es nie sein. Und doch weiß ich, dass auch ich mit diesem Defizite Erfolg haben kann. Und sogar in Afrika etwas bewirken kann!

Was in Afrika viel mehr gebraucht wird als Geld, sind Handwerker.

Das Handwerk ist eine tragende Säule, überall. Und aus persönlicher Erfahrung kann ich nur sagen, es gibt nichts tolleres, als sein Handwerk, was mir keiner nehmen kann, für Menschen einzusetzen, die es bitter schwer benötigen. Und in Deutschland haben wir Ausbildungen, die auf der ganzen Welt bewundert werden.

Im Februar habe ich z.B. auch einen Klempner aus der Schweiz kennengelernt, der seinen kompletten Jahresurlaub und seine Überstunden gegeben hat, um hier Rohre für eine zukünftige Augenklinik zu verlegen. Gleichzeitig hat er sich einen Klempner aus Ghana dabei genommen, und ihm gezeigt, wie er es in der Schweiz gelernt hat. Er sagte mir, er würde es immer wieder machen.
Und ich würde es auch immer wieder tun!

Jetzt geht es erst mal zurück nach Deutschland.

Und wenn ich ehrlich bin, habe ich unglaublich dolle Angst davor, „nach Hause“ zu kommen. Was ich zur Zeit ganz deutlich an meiner körperlichen Verfassung spüre. Ein immer größer werdendes flaues Gefühl im Magen, und mir wird wirklich schlecht, wenn ich daran denke, dass und was ich alles hier und hinter mir lasse. Denn mit mir wird auch eine große Erwartung kommen. Erwartungen in Form von unausgesprochenen Versprechen, dass ich immer Teil dessen hier bleiben werde und möchte. Gleichzeitig aber auch weiß, dass ich hier nur was „bewirken“ kann, wenn ich selber einen für mich erfolgreichen Weg gehen werde. Noch wenige Tage und ich bin wieder in Deutschland, genauer gesagt:
2018/05/12 12:00:00

Auch wenn es vielleicht albern klingt, ich habe große Angst davor, dass alles hier zu vergessen.

Ich mache mir aber keinen Druck. Denn „et kütt wie et kütt!“.
Und irgendwas wird schon passieren.

Ich freue mich auch schon auf Deutschland.

Neun Monate waren für mich einfach die perfekte Zeit hier. Ich verlasse Ghana genau im richtigen „feeling“. Ich habe nicht zu viel von Ghana, aber auch nicht das Gefühl, dass ich hier irgendwas verpasse. Es ist die perfekte Mitte. Und ich freue mich einfach darauf, euch alle wieder zu sehen. Denn ihr fehlt mir schon ziemlich!
Aber was dann? Das steht noch in den Sternen. Was ich aber weiß, oder glaube zu wissen, das ich erstmal nicht in Köln bleiben werde, sondern mich die nächsten Jahre ohne festes Ziel durch Deutschland/ (Welt) schlagen werde. Ich habe zur Zeit eine Option, doch wenn die nicht funktioniert, dann kommt was anderes. Ich bin Handwerker, und als Handwerker bin ich auf der ganzen Welt willkommen, und gebraucht. So wie es kommt, wird es gut.
Ich freue mich auf euch!
Bis wirklich bald,
Euer Leo
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