Vor und nach jedem Fußballtraining und Spiel wird im Kreis gebetet

Man nimmt sich an die Hand und einer betet für alle laut. Vor zwei Wochen habe ich bei einem Freundschaftsspiel zwischen zwei Hilfsorganisationen mitgespielt. Vor dem Spiel standen wir im Kreis und keiner hat etwas gesagt. Ich hatte meine Augen geschlossen und auf den Boden gerichtet, so wie die

Guten Morgen zusammen,

Ich liege gerade in meinem Bett. Es ist 6 Uhr morgens und ich bin seit 2 1/2 Stunden mehr oder weniger wach. Warum?

Die Morgenpredigt.

Es unglaublich was hier gepredigt wird und wie lange. Manchmal geht das von morgens 3:30 Uhr bis 9:00 Uhr. Okay, wie ich in zwischen raus gefunden habe wird nicht nur gepredigt gebetet oder gesungen. Nein, es ist auch Werbung, die, aus den 70er Jahren stammenden Lautsprecher, tönen. Dieser Ton, der aus dem Lautsprecher tönt ist einfach Horror. Man versteht kein Wort, es ist ziemlich laut und bei den hohen Tönen ertönt ein pfeifen. Ich weiß nicht was ihr euch gerade darunter vorstellen könnt aber ich wünsche es keinem. Vor allem ist es jeden, wirklich jeden Morgen. Ich weiß nicht wie die Leute das hier aushalten. Wahrscheinlich mit beten.

Hier eine kleine Kostprobe!

Gebetet wird hier eigentlich immer.

Ich hätte nie gedacht was Gott, Glauben und Kirche hier für eine riesige Bedeutung haben. Wieviel Hoffnung, Dankbarkeit und Wertschätzung gegenüber Gott und Jesus gezeigt wird ist unglaublich.

Ich gehe hier jeden Sonntag in die Kirche. –Vorne weg, von dem Gottesdienst verstehe ich rein gar nichts.- Mir wird auf einem Handy immer die wichtigsten Informationen über den Inhalt des Gottesdienstes aufgeschrieben. Und diese Gottesdienste sind so unglaublich intensiv. Ich weiß noch als ich das erste Mal in die Kirche hier gegangen bin. Das Gefühl, das ich hatte als gebetet wurde war unbeschreiblich. Noch immer bekomme ich eine Gänsehaut. Mit dem Keyboard wird eine Melodie gespielt. Dazu werden durch ein Mikrofon, aufheizenden Worte als Unterstützung gesprochen.  Um dich herum sprechen alle Menschen ihre Dankbarkeit, ihre Bitten und Gebete laut aus. In Dieser ganzen Atmosphäre fühlt man sich wie in Trance.

Und mitten drin, der kleine (lange), weiße blonde Leo.

In seinem weißen Leinen Hemd zwischen all den schwarzen Menschen mit ihren typisch bunten afrikanisch farbenen Kleidern. Er weiß nie so recht, ob er die Augen auf machen darf (alle haben die Blicke gesenkt und Augen geschlossen), ob er sich umblicken darf. Ich glaube, ich sehe immer ein bisschen verloren aus. Aber es fühlt sich unglaublich toll an, ein Teil dieser Masse zu sein.

Verloren sehe ich auch aus, wenn gesungen wird.

Alle Menschen singen aus voller Seele und tanzen mit einer Leichtigkeit einer Gazelle durch die ganze Kirche. Klein Leo haucht die Lieder mit, versucht sich mit dem Rhythmus Gefühl einer Herde Elefanten einigermaßen geschmeidig, aber unscheinbar durch die Kirche zu bewegen. Doch es klappt nie.

Erstens kann ich mich nicht geschmeidig bewegen. Und zweitens alle schauen immer was ich mache. Wenn ich mich dann also mal traue um mich selber zu drehen bekomme ich sogar einen kleinen Applaus. Aber wie oft traut man sich das. Bei den Schwarzen sieht das immer alles so schlüssig aus. Und bei mir eine Mischung aus Zufall und im Rhythmus klatschen. Aber wie gesagt es ist echt toll, wie sehr hier der Gottesdienst gelebt wird. Nicht wie in Deutschland immer der gleiche Ablauf, sondern einfach frei. Und das Ganze geht drei Stunden. Doch das sind nicht die einzigen Situationen wo ich mit Glauben in Berührung komme. Jedes Mal, wenn man etwas bekommt, wird gebetet. Aus Dankbarkeit das man z.B. etwas zu Essen hat oder das man heile angekommen ist.

Ihr wollt gar nicht wissen mit wie vielen fremden Menschen ich schon über Gott, Kirche und Jesus gesprochen habe.

Am Montag z.B. wollte einer nicht einsehen, dass ich Christ bin aber nicht weiß an was ich wirklich glaube. Ich habe ihm versucht zu erklären, dass ich für mich noch nicht den richtigen Weg gefunden habe. Einfach weil ich noch zu jung bin und ich keinen wirklichen Plan davon habe, wo es für mich hingehen soll. Aber das ist genau das ist was ich brauche. Für ihn gibt es nur einen richtigen Weg zu leben. Und zwar der Weg zu Gott.

Ich musste 1,5 Stunden mit ihm diskutieren, weil meine Werkstattleute nicht da waren. (Nicht gesehenes Zeichen?) Am Ende standen wir ohne Ergebnis da.

Beim Fußball wird vor und nach jedem Training und Spiel im Kreis gebetet.

Man nimmt sich an die Hand und einer betet für alle laut. Auch hier hatte ich eine peinliche Situation… vor zwei Wochen habe ich bei einem Freundschaftskick zwischen zwei Hilfsorganisationen mitgespielt. Vor dem Spiel standen wir im Kreis und keiner hat etwas gesagt. Ich hatte meine Augen geschlossen und auf den Boden gerichtet, so wie die anderen. Als dann nach einer kurzen Weile immer noch keiner was gesagt hat habe ich sicherheitshalber hoch geschaut. Dort haben mich dann 10 Augenpaare erwartungsvoll angesehen. Sie wollten, dass ich für sie bete. Ich musste ihnen dann gestehen, dass ich keine Ahnung habe wie das geht.

In Marialinden bekommen wir immer gesagt: „Kratzen, beißen spucken, kämpfen.“ Und dann kommt unser Schlachtruf. Aber ich glaube das wollten die nicht von mir hören!

Das Spiel haben wir dann 1:0 gewonnen. *husthust* dank meiner Vorlage.

Aber der liebe Gott rächte sich für mein Versagen zu Beginn des Spiels. In dem mir der Ball, bei einer 100% Torchance, durch meine Beine tischte anstatt gegen meinen Fuß und dann ins Tor.  (Siehe Bild)

Und die zweite Strafe war, dass ich nach 20 min ausgewechselt werden musste um meinen Puls wieder runter zu bekommen. Die Afrikaner rennen einfach wie die Bekloppten und das auch bei dieser Hitze.

Meine Freundin der Lautsprecher

Inzwischen ist es 8:11 Uhr und meine Freundin vom Lautsprecher hat gerade aufgehört zu sprechen. Ich hoffe nicht nur vorübergehend.

Das schlimmste an dem Lautsprecher ist, das sich das Ganze sprechen wie ein Brei anhört. Man versteht einfach kein Wort. Die Ghanaer verschlucken die Worte insgesamt sehr gerne. Deswegen muss ich mich verbessern. In meinem 2. Bericht sagte ich, dass ich Leute im Alter von 18 – 27 trainiere. Halbe Lüge. Als ich hier ankam habe ich den Kapitän des Teams gefragt: „How old are you?“ Und als Antwort kam:“hünnehünne hünneseven.“ Ich hatte nichts verstanden nur die Sieben. Für mich war klar, dass muss bedeuten er ist 27.

Als er mir dann letzte Woche stolz sein Reisepass gezeigt hat, (hier hat fast niemand einen Personalausweis, geschweige denn ein Reisepass) habe ich gesehen das er meinte: „I was born 97.“ Klasse! Schon die zweite falsche Information.

Ich habe mir dann ein Herz gefasst und in die Runde gefragt wie alt denn wer ist… ich war schockiert. Die, wo ich gedacht habe, sie wären 18, sollen 12 sein. Die, wo ich gedacht habe, dass sie 20-25 sind, sollen zwischen 14 und 19 Jahre alt sein. Ich war sichtlich schockiert. Der Älteste ist 21!

Und an die Eltern aus meiner alten E-Jugend … ihr gebt euren Kindern falsches Essen! Die 10 jährigen hier sind bestimmt zwei Köpfe größer und sehen aus wie 15.  Das Problem in Ghana ist, das du dein Kind nach der Geburt nicht melden musst. Kinder haben aber ab dem dritten Lebensjahr die Chance in einen Kindergarten zu gehen und danach eine öffentliche Schule zu besuchen. Dafür muss man das Kind aber mit dem dritten Lebensjahr melden. Viele machen das aber erst viel später. Das Kind ist z.B. 8 und wird als 3 jähriges gemeldet. Die Behörden nehmen das einfach so hin. Ihnen bleibt ja auch nichts anderes übrig.

Kommunikation ist hier sehr schwierig

Bitte nehmt es mir also nicht böse, wenn ich mal was korrigieren muss. Kommunikation ist hier sehr schwierig. Oft muss ich hier drei oder viermal nachfragen, weil ich einfach nicht verstehe, was jemand von mir will. Am schwierigsten ist die Kommunikation in der Werkstatt. Wie ich schon sagte, arbeite ich dort auch mit tauben Menschen zusammen. Einer, dem ich viel versuche zu erklären, liest von meinen Lippen und kann mir in Englisch antworten. Doch das ist so unglaublich anstrengend. Ich muss fast jeden Satz 5-mal wiederholen. Und anders rum ist es auch nicht besser. Ich verstehe ihn auch absolut nicht. Sein Englisch ist eine Mischung aus Twi und Englisch. Oft rate ich, was er sagen möchte. Manchmal muss uns jemand helfen zu übersetzen oder wir schreiben auf dem Handy und kommunizieren so.

Problem hier ist mein Vokabular. Mir fehlen so unglaublich viele Wörter. Aber zum Glück gibt es Hände und Füße. Und zur Not hört jeder seine Wahrheit!

Ich bin jetzt seit einem Monat hier, und ich habe immer noch kein Heimweh

Und meine Wahrheit ist es, das ich jedes Mal unglaublich berührt bin über eure so lieben Kommentare. Es tut so gut von euch zu hören. Denn im vielen Situationen merke ich schon wie sehr ihr mir fehlt. Ich bin jetzt seit einem Monat hier. Und ich habe immer noch kein Heimweh. Doch oftmals ist es die Normalität, die mir fehlt. Jeder wird mir zustimmen, dass meistens alles was neu ist, als besser empfunden wird. Und für mich war am Anfang hier gefühlt vieles besser. Ich kann gar nicht genau beschreiben, was es genau war. Wahrscheinlich weil hier alles genau anders herum ist. Und wie viele von euch wissen liebe ich es Neues kennenzulernen. Zum ersten Mal mache ich diese Erfahrung ohne meinen gewohnten Rückhalt.

In Deutschland hatte ich immer meine Hobbys und Freunde, wo ich mich verstanden gefühlt habe. Und gelebt habe ich in einer Familie, die immer für mich da war und ist. Genauso wie meine Freunde. Ich hatte alles, was ich brauchte um glücklich zu sein. Und ich war es! Natürlich bleiben einem meistens nur die positiven Dinge in Erinnerung und man sieht alles durch den „transfer-filter“. Aber ich würde behaupten, ich hatte alles was ich brauche um glücklich zu sein. Und durch eure so lieben Emails und Kommentare weiß ich, dass ich mich immer auf euch verlassen kann. Und das ist der Grund warum ich kein Heimweh habe.

Ich weiß nun, ich kann immer nach Hause kommen und meine Freunde und Familie sind für mich da. Ich freue mich schon sehr darauf euch alle wieder zusehen. Aber noch nicht! Noch bin ich hier sehr glücklich. Ich kann es gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich euch Danke!

Mein Resümee bis jetzt

Deswegen hier noch ein paar Eckinformationen über das, was gut und schlecht ist in diesem Moment.

-Gut. Meine Freundin die Lautsprecherstimme hat auf gehört zu reden.
-Schlecht. Seit gestern habe ich mein „Running-Stomach“ wieder. Gut, aber das Problem: Das Essen schmeckt trotzdem.
-Schlecht. Wenn ich hier sage: „Ich hätte gerne was Leichtes und bitte, bitte, bitte ohne auch nur den Hauch von schärfe.“ Bekomme ich Reis mit nur der Hälfte der Menge an Soße die ich sonst bekomme.“
-Gut. Seit Samstag funktioniert die Spülung der Toilette.
-Schlecht. Ich habe nur noch 20 ghc. (4€).
-Schlechter. Die Bank hat noch weniger Geld.
-Gut für mich, es sind 25 Grad. Alle Obibinis frieren. Ich habe Wohlfühltemperatur.
-Super gut. Ich bin noch keiner Schlange begegnet.

Das sollte fürs erste reichen.

Meine Pläne heute sind wie (trauriger Weise) von fast allen Ghanaern in meinem Alter: „Nothing.“ Die meisten Jugendlichen oder jungen Erwachsenen machen einfach den ganzen Tag lang nichts. Aber das ist ein anderes Thema.

Ich wünsche euch einen tollen Tag. Genießt die Normalität und euer soziales Umfeld. Durch die Normalität wissen wir das meistens gar nicht wirklich zu schätzen.

In diesem Sinne:
Op e Lävve voller Jlück.
(Auf ein Leben voller glück)

Euer
Leo

PS: Euer T-Shirt hängt gegenüber von meinem Bett. Das weiß auf der Rosa Wand macht sich echt Klasse.

Vorheriger Beitrag
In Ghana ist noch vieles so wie früher
Nächster Beitrag
Save-the-Date: Nächster Global Pro Bono Summit in Mumbai, Indien vom 06. bis 08. Februar 2018

Ähnliche Beiträge

Kommentare

5 Kommentare.

  • Kremmling Vreni und Wolfgang
    28. September 2017 21:16

    Hallo Leo
    Deine Berichte zu lesen ist reine Freude .Du bist so ein positiver Mensch sie lieben Dich bestimmt alle sehr ,selbst wenn sie dich nicht immer verstehen . Daheim werden sie Dich sehr vermissen ,und Deine
    Erlebnisse mittragen . Auch wir in Grenzach sind an Deinem so andern Leben, ganz erpicht auf deine neuesten Nachrichten . Wir sind ganz Stolz auf Dich Liebe Grüsse Vreni und Wolfgang

  • Lieber Leo,
    ich hab heute morgen unsere Karnevalsbilder wiedergefunden und dachte ich schau mal was du so treibst.
    Es freut mich riesig, dass es dir da drüben so gut gefällt und bis auf ein paar Kleinigkeiten scheint es dir ja auch echt gut zu gehen.
    Die Vorstellung wie du in Kirche unbeholfen rumtanzt war aufjedenfall sehr amüsant 😀
    Freu mich auf deine nächsten Berichte, aber noch viel mehr darauf wenn du wieder da bist und mich in Landau besuchen kommst!
    Aber genieß erstmal noch die Zeit dort 🙂
    Sonnige Grüße aus der Pfalz, ich trink heut Abend ne Schorle auf dich!
    P.S. dein Blog eignet sich auch perfekt zur Prokrastination – meine Hausarbeit dankt dir.

  • Rosemarie Schulte
    14. September 2017 21:32

    Lieber Leo, so viel gelacht wie heute, habe ich schon lange nicht mehr. Du schreibst so unglaublich
    natürlich, dass man sich die Situationen so richtig vorstellen kann. Natürlich nur, wenn man dich kennt. Zu den Gebeten am frühen morgen, wären doch Ohropax nicht schlecht. Oder? Ich kann mir gut vorstellen, dass die Gottesdienste unter die Haut gehen. Ich habe das mal mit einem Gospelchor erlebt, das war nicht zu beschreiben. So, nun ganz liebe Grüße und eine gute Zeit
    wünschen Rosemarie und Willy vom Subbelrath.

  • Hallo lieber Leo, es freut mich sehr zu lesen wie es Dir in Ghana gefällt. Bin eine Freundin von Tanja und ein großer Fan von Dir. Wie Du schreibst ist der Hammer. Liebe Grüße Dagmar

  • Lieber Leo,
    wieder einmal bin ich mehr als bewegt von dem was du schreibst, es berührt mich so richtig mit welcher Leichtigkeit und Lebensfreude du den Menschen und den Situationen begegnest. Auch was du über deine Lieben zu Hause geschrieben hast finde ich unglaublich schön und aus dem Herzen heraus. Zu wissen, dass jeder zu Hause immer für dich da ist verhindert das Heimweh, das hab ich so auch noch nicht gehört.
    Wo ich ja gerne mittanzen würde, wäre bei den Gottesdiensten, ich würde mich gemeinsam mit dir drehen…Lebensfreude pur auch in einem Gotteshaus – wunderbar.
    Ich sende dir ganz liebe Grüße aus Korfu, mit Blick aufs Meer :-))
    Herzlichst
    Ruth

Kommentare sind geschlossen.