„Nonprofits brauchen mehr Ressourcen“ Aaron Hurst, Gründer von Taproot und Imperative

Der Gründer von Taproot und Vorreiter der Pro bono Bewegung in den USA, Aaron Hurst,  fordert ein Umdenken bei Nonprofits und Wirtschaftsunternehmen: Angesichts der täglich wachsenden Ansprüche an den gemeinnützigen Sektor sollten „Dienstleistungsspenden“ zur Selbstverständlichkeit werden – zum beidseitigen Nutzen.

Eine gemeinnützige Organisation zu leiten ist seit jeher keine leichte Aufgabe, aber noch nie waren die Herausforderungen so groß wie heute. Angesichts krisengeschüttelter Regierungen, demografischer Umbrüche und zunehmender Globalisierung steigen die Ansprüche an den dritten Sektor täglich. Gleichzeitig wird der Alltag immer komplexer. Nonprofits müssen sowohl online als auch offline agieren. Die Vorschriften werden immer mehr, die Erwartungen von außen immer differenzierter, Transparenz wird immer wichtiger. Darüber hinaus gilt es, den Bedürfnissen einer neuen Generation von Arbeitnehmern Rechnung zu tragen, die höhere Ansprüche an ihre Arbeitgeber stellt. Und selbstverständlich sollen Nonprofits all diese Herausforderungen stemmen, ohne dieselben Mittel dafür einzusetzen, wie sie in der freien Wirtschaft üblich sind. Denn kein Geber möchte, dass sein Geld für Infrastruktur und Verwaltungskosten ausgegeben wird. Damit Nonprofits mit dieser gestiegenen Komplexität besser zurechtkommen, müssen wir sie dabei unterstützen, Pro bono Berater – das können zum Beispiel Designer, Ingenieure, Juristen oder Betriebswirte sein – zu einem verlässlichen und integralen Bestandteil ihrer Personalstrategie zu machen.

Aaron Hurst auf der Ringvorlesung zum Thema „Purpose Economy“


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Unter pro bono – kurz für pro bono publico, „zum Wohle der Öffentlichkeit“ – versteht man heutzutage eine Dienstleistungsspende zur Förderung des Gemeinwohls, oder anders ausgedrückt, eine kostenfreie Dienstleistung, welche einer gemeinnützigen Organisation hilft, ihre Ziele zu erreichen. Zwar spielen Geldspenden im Budget gemeinnütziger Organisationen eine wichtige Rolle, aber viele Nonprofits träumen von mehr als fetten Schecks. Was sie nach eigenem Bekunden wirklich brauchen sind Spendenleistungen zur Stärkung ihrer Organisationsstrukturen: professionelle Expertise vor allem in den Bereichen Marketing, Finanzen, Personal, Rechnungswesen, IT und Strategieplanung. Mit derartigen Kompetenzspenden können sie ihren Personalpool erweitern, ohne die Kosten hochzufahren.

Angesichts des steigenden Bedarfs an externen Dienstleistungen bei anhaltender Finanzknappheit werden Pro-bono-Dienstleistungen zunehmend zum Alltag einer Nonprofit-Organisation gehören. Sie kommen dabei in den verschiedensten Bereichen zum Einsatz – am häufigsten, aber bei weitem nicht nur, in Rechtsfragen. Eine von der Taproot Foundation und FTI Consulting in den USA im Jahr 2011 (natürlich pro bono!) durchgeführte Umfrage machte deutlich, in welchem Umfang Nonprofits Pro-bono-Dienstleistungen in Anspruch nehmen. 60% der Befragten nutzten kostenlose Rechtsberatungen. Als weitere Bereiche nannten sie Marketing (41%), Personalwesen (30%), Buchhaltung und Bürounterstützung (29%), Finanzberatung (27%), IT (27%), Organisationsgestaltung bzw. Coaching (26%) und die Suche nach Vorstandsmitgliedern oder Führungskräften (20%). Laut eines Berichts der amerikanischen Corporation for National and Community Service aus dem Jahr 2008 belaufen sich die jährlich erbrachten Pro-bono-Dienstleistungen auf geschätzte 15 Milliarden Dollar.

Pro bono ist aber kein Selbstläufer. Damit es funktioniert, sollten die folgenden fünf Grundsätze beachtet werden:

  • Erstens: Kenne und definiere deine Bedürfnisse.
    Es ist erforderlich, sich proaktiv um Pro-bono-Ressourcen zu bemühen und sich dabei an den jeweiligen Prioritäten der Organisation zu orientieren.
  • Zweitens: Finde die richtige Ressource für die richtige Aufgabe.
    Damit ein Pro-bono-Engagement von Erfolg gekrönt ist und den jeweils spezifischen Bedürfnissen gerecht wird, müssen die richtigen Personen am richtigen Ort und im richtigen Umfang eingesetzt werden.
  • Drittens: Sei realistisch, was Termine und Fristen angeht.
    Man sollte sich gut überlegen, welche Projekte man pro bono angehen kann – selbst kleine Aufgaben können mehr Zeit in Anspruch nehmen als erwartet und pro bono eignet sich selten für dringliche Anliegen.
  • Viertens: Verhalte dich wie ein zahlender Kunde.
    Wenn man von Pro-bono-Beratern wie ein zahlender Kunde behandelt werden will, dann sollte man sich ihnen gegenüber auch von Anfang an so verhalten.
  • Fünftens: Lernen ist keine Einbahnstraße.
    Ein Pro-bono-Projekt ist ein partnerschaftliches Unterfangen: als gemeinnützige Organisation stellt man Wissen über sich und sein Arbeitsfeld zur Verfügung, während der Pro-bono-Berater seine Expertise (und einen neuen Blickwinkel) einbringt.

Zu einem lebendigen gemeinnützigen Sektor im 21. Jahrhundert gehört ein robuster Pro bono Markt. Aus meiner Sicht bedarf es dazu dreierlei: Erstens müssen wir das Angebot erweitern, indem wir die Pro bono Ethik stärker in den Wirtschaftsberufen verankern und Institutionen, angefangen von Firmen bis hin zu Berufsschulen, beim Aufbau von Pro bono Programmen unterstützen. Zweitens müssen wir die Nachfrage ankurbeln, indem wir gemeinnützige Organisationen dazu befähigen, Pro bono Dienstleistungen effektiv und in zunehmendem Maße in Anspruch zu nehmen. Ziel muss es sein, dass Nonprofits diese Ressourcen selbstverständlich und dauerhaft in Anspruch nehmen – wir bei Taproot nennen das „powered by pro bono“. Und drittens müssen wir die Infrastruktur schaffen, damit dieser Markt effektiv und effizient agieren kann. Wir brauchen Qualitätsstandards für effektives Pro bono, ein Anreizsystem, um Firmen mit an Bord zu holen und Netzwerke, die den Einstieg sowie den Technologie- und Wissenstransfer erleichtern. So kann sich ein Markt entwickeln, wie wir es in der Philanthropie beobachten konnten: groß, professionell, transparent und leicht zugänglich für Nonprofit-Organisationen auf der ganzen Welt.

Interview: Maja Heinrich, BMW Stiftung

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